Samstag, 15. April 2017

Armin der Cherusker ein Verräter?

Jetzt nudelt es in allen Billig-Geschichtsfilmen wie NTV, dass Armin der Cerusker Verräter genannt werden muss; Die Sender, die im wesentlichen die sehr flache Geschichtsschreibung der Amis reflektieren. Dabei sollte man wissen, dass dieser Verräter-Vorwurf gegen Armin historisch gesehen grundfalsch ist. Hier mal die wichtigsten Tatsachen:

  • Es war ausgerechnet Hitler gemeinsam mit Mussolini, die die Theorie von Armin dem Verräter als erste verbreiteten in Anlehnung an die römische Geschichtsschreibung, die in grossen Teilen eher Kriegspropaganda darstellte und damals schon unter Histrorikern anders dargestellt wurde. Hitler und Mussolini einigten sich bei ihrer Umschreibung der Geschichte einfach darauf, um entsprechend Hitlers Rassentheorie Italiener auch als Arier zu bezeichnen und um sich mit Mussolini zu verbünden. Also eine der größten Geschichtsverfälschungen Hitlers. Hauptbefürchtung Mussilinis war, dass z.B der Hitler-Stalin-Pakt nicht halten würde, da Hitler die Russen nie als Arier anerkannt hatte. Eine Befürchtung, die sich ja später bewahrheitete. Mussolini verlange aber eine Anerkennung der Italiener als Arier und die Bezeichnung von Armin als Verräter als Voraussetzung für einen Pakt mit den Deutschen.
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  • Armin wurde als Kind als sog. Geisel zwangsweise nach Rom verschleppt, da er als Sohn eines als bezüglich seiner Römerfreundlichkeit als kritisch eingestuftem Germanenstamm, den Cheruskern, diese zur Romtreue erpressen sollte. Dies alles entsprechend der Cäsar-Doktrin 'Teile und herrsche'. Die Römer wares es eher, die Verrat und Gegeneinanderausspielen verschiedener Germanenstämme als Mittel der Politik verstanden - Etwas das später, als Armin erwachsen war und unter Römern in Germanien festgehalten wurde, wohl schiefgelaufen ist.
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  • Varus dagegen war bekannterweise einer der unbeliebtesten Römer seiner Zeit. Interessant: Zur Zeit von Christi Geburt regierte Varus in Syrien als Steuereintreiber, zu dessen Zuständigkeitsgebiet auch Betlehem gehörte. An den von der Bibel behaupteten Verbrechen wie dem Kindermord zu Betlehem könnte er beteiligt gewesen sein und passt auch nach Historikern in Liste anderer von römischen Geschichtsschreibern überlieferten Grausamkeiten von Varus. Überliefert über Varus ist, dass er das römische Göttersystem als Religion überall einführen wollte und mit Vorliebe religiöse Heiligtümer zerstörte. Daneben warfen ihm Geschichtsschreiber vor, Varus würde Steuern in die eigene Tasche umleiten. Ein römischer Geschichtsschreiber: "Als Varus nach Syrien kam, war er arm und Syrien reich. Als er ging war er reich und Syrien arm!" Angedeutet wurde auch, dass Varus von Rom geschasst wurde und eher zur Strafe nach Germanien geschickt wurde.
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  • Auch bei Beginn der Amtszeit von Varus in Germanien waren Varus extrem hohe Steuern im Gespräch in Rom. Ebenfalls hört man von gnadenlosen juristischen Veränderungen unter Varus. Unter anderem den heute von Anwälten bei Nachbarschaftsstreitigkeiten zitiertem Kommentar römischer Geschichtsschreiber: "Die Germanen liebten es, sich gegenseitig vor Gericht zu zerren wegen unglaubwürdigen oder lächerlichen Anschuldigungen. Varus aber wendete gnadenlos römisches Recht an und liess auch einige hinrichten. Da murrten die Germanen gegen ihn und hoben hinter seinem Rücken die geballte Faust gegen ihn." Was sicher eine höfliche Umschreibung der römischen Politik des "Teile und Herrsche" betrachtet werden kann.
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  • Auch die Behauptung dass dies eine der größten Niederlagen von Rom war ist schon etwas lächerlich. Berichte von Varus nennen 2 bis 3 römische Legionen und noch etwa die doppelte Menge an unbewaffneten germanischen Siedlern. Es war einzigartig, dass römische Legionen unbewaffnete Siedler begleiteten, eine neue Strategie die eventuell von Varus an den ersten Völkerwanderungszügen der Teutonen abgeguckt gewesen sein kann. Man muss dem entgegenhalten, dass Kriegsherren wie Cäsar oder Cleopatra das 10-fache zur Verfügung hatten, mit weniger sind die gar nicht zur Schlacht angetreten und haben erst gar nicht den Rubikon überschritten. Zahlen: Als Cleopatra am Ende war hatte sie noch mindestens 2 römische Legionen und nochmal die gleiche Menge an ägyptischen Kriegern zur Verfügung - und floh in der Situation weil sie meinte, dass so Alexandria nicht zu halten wäre - und soll angeblich Selbstmord begangen haben. Dagegen hatte Varus nur 2 römische Legionen zur Verfügung um halb Germanien aufzumischen.  Ebenso kamen nach historischen Quellen die römischen Legionen in Germanien nicht auf die offizielle Mannschaftsstärke wie im Mittelmeerraum gewohnt, sondern waren stark zusammengespart worden, dagegen aber mit sog. "Auxiliartruppen" wie die von Armin befehligten aufgestockt; Die Auxiliartruppen wurden auch von Römern selbst nicht richtig ernstgenommen und waren eher Kundschafter, Wegführer, Übersetzer und Verhandlungsbeauftragte mit ansässigen Germanenstämmen.
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  • Auch nach der Schlacht im Teuteburger Wald schienen die Römer das Geiselsystem gegen Armin und die Cherusker weiter zu pflegen. Überliefert ist, dass bei dem römischen Vergeltungsschlag auch das Dorf von Armin zerstört wurde und seine schwangere Frau Tusnelda nach Rom als Geisel genommen wurde. Tatsache ist, dass gerade Rom alles tat, was nach Germansischen Religionen als Verrat bezeichnet wurde. Pech nur dass Tusnelda noch vor der Geburt ihres Kindes einen reichen Römer heiratete und Armin das Kind nicht als seines rechtsgültig anzuerkennen brauchte und dies auch nie tat. Was die römische Propaganda weiter mit Verräter-Vorwürfen gegen Armin begleitete.
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  • Die Schlacht am teuteburger Wald stellte auch nicht eine so grosse Änderung der römischen Imperialismuspolitik dar. Rom begann mit der Eroberung Britanniens. Es wurden zwar alle festen römischen Siedlungen östlich des Reins wieder aufgegeben, aber der alte Status Quo mit dem Rhein/Donau-Bereich als Grenzfluss blieb erhalten und wurde später mit dem römischen Limes befestigt. Römische Legionen mit normalen Taktiken waren weiterhin für Germanen praktisch unverwundbar und zerstörten bei Vergeltungsaktionen germanische Dörfer bis tief im Osten - konnten aber das Gebiet nie halten; Während die Germanen bei ihren Vergeltungs- und Raubzügen weiterhin bis weit nach Frankreich oder gar Spanien drangen und fernab der römischen Heerstrassen in den Wäldern auch praktisch unangreifbar waren. Römische Legionen waren auch weiterhin einfach zu schnell als die Germanen die Informationen in den Dörfern verbreiten und sich zu Heeren zusammensammeln konnten, die Germanen waren fernab der Heerstrassen in den Wäldern einfach kaum zu finden und zu schnell. Lediglich Varus war von den üblichen Strategien abgewichen und hatten einen von Legionen begleiteten Siedlertreck dabei, was ihn zu langsam und angreifbar machte. Die Völkerwanderungsstrategie hatte er wohl falsch begriffen und die Erfolge anderer römischer Feldherren in seiner Leichtfertigkeit überbewertet.

P.S. Ich möchte noch einschränken, das ich auch die Verherrlichung von Armin durch Kaiser Wellhelm nicht gutheisse. Wir hatten bezüglich Armin 2 grosse Wellen der Geschichtsverfälschung kurz aufeinander. Zuerst die übertriebene Wichtigkeit als Gründungsvater der Deutschen durch Kaiser Willhelm vor dem 1. Weltkieg und kurz darauf die Mär vom "Verräter Armin" die von Hitler verbreitet wurde.

Und noch ein paar alternative Fakten: Varus war zuerst Statthalter in Syrien gewesen und dann nach Germanien strafversetzt worden, interessanterweise wie kurz darauf ein anderer bekannter Name: Pontius Pilatus war praktisch unmittelbar darauf Statthalter von Jerusalem und später kurz nach Varus nach Germanien versetzt worden. Und wie die Doktrin von "Teile und Herrsche" in der Praxis aussah erzählt uns ja heute noch die Bibel über die Kreuzigung von Jesus und über das interessante Dreiecksverhältnis von Römern, Pharisäern, Herodes, Johannes des Täufers und Jesus; Eine Praxis die die Germanen sicher zu Recht als Verrat an Bündnispartnern bezeichneten und gegen die diese sich dann wohl erhoben. Vor allem das in der Bibel erwähnte symbolische Händewaschen in einer extra gereichten Wasserschüssel bei der Urteilsverkündung  mit den Worten "Ich wasche meine Hände in Unschuld", was wohl für Varus und Pilatus üblich war, dürfte gerade von den Germanen als Verrat empfunden worden sein.